Wirtschaft pro Klima

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Was macht nachhaltiges Bauen wirklich aus?

Von grauer Energie und klimarobusten Gebäuden


Frage, was nachhaltiges Bauen wirklich ausmacht, stand im Mittelpunkt der Entwicklung der Bewertungskriterien für den vom Umweltbundesamt 2020 erstmals ausgelobten Bundespreis UMWELT & BAUEN. Dabei ist klar: Der Energiebedarf im Gebäudebetrieb ist nicht allein entscheidend.

Von Thomas Rühle

Immer noch bringt man nachhaltiges Bauen überwiegend mit der Minimierung des Energiebedarfs in Verbindung: Wer energiesparend baut, baut auch nachhaltig. Nachhaltiges Bauen umfasst aber weitaus mehr. Um ein klimaneutrales Gebäude zu erreichen, ist die Art der Energieversorgung und der Anteil der erneuerbaren Energien mitentscheidend. Und auch die sog. graue Energie muss in die Gesamtbilanz zum Nachweis der Klimaneutralität einbezogen werden.

Was ist graue Energie?

Hinter dem Begriff verbirgt sich die Energie, die für die Gewinnung von Rohstoffen, zur Erzeugung von Baustoffen und Herstellung von Bauprodukten aufgewendet werden muss, aus denen ein Gebäude besteht. Hierzu gehören Beton, Bewehrungsstahl, Glas, Kunststoffe, Holz, Dämmstoffe, Beschichtungen wie Farben oder Lacke – um nur einige der Stoffe zu nennen, die im Bauprozess zum Einsatz kommen. Der Anteil dieser hierfür aufgewendeten Energie kann bis zu 50 Prozent des gesamten Energiebedarfs betragen. Und je weniger Energie der Gebäudebetrieb benötigt, desto größer kann der Anteil der grauen Energie an der Gesamtmenge sein. Wird die graue Energie minimiert, führt dies gleichzeitig zur Reduzierung der grauen Emissionen und damit auch der Treibhausgase (gemessen an der emittierten CO2 e-Menge), die den Klimawandel maßgeblich bestimmen.

Mit der Methode der Ökobilanzierung wird auch die graue Energie erfasst. Vom Bundesbauministerium werden den Planenden und Beratenden zur Berechnung dieser Bilanz sowohl die Datenbank Ökobaudat mit ca. 800 Baustoffdaten wie auch das Online-Berechnungstool eLCA kostenfrei zur Verfügung gestellt.

Kreislaufgerecht bauen

Weitere Aspekte, die bei der Planung, Realisierung und dem Betrieb nachhaltiger Gebäude berücksichtigt werden, basieren auf dem Prinzip, den gesamten Lebenszyklus eines Gebäudes zu betrachten. Dies bedeutet, kreislaufgerecht zu bauen und damit heute bereits den späteren Rückbau der Gebäude mit zu planen oder bereits Baustoffe oder Bauteile bereits rückgebauter Gebäude zu verwenden.

Selbstverständlich sollten auch nur Baustoffe und Bauprodukte zum Einsatz kommen, die keine besonders kritischen Stoffe enthalten und freisetzen. Dies schont nicht nur die Umwelt, sondern sorgt auch für eine optimierte Raumluftqualität für die Nutzer und Nutzerinnen der Gebäude. Nachhaltiges Bauen hilft somit auch, Risiken zu minimieren, die u.a. durch eine falsche Baustoffwahl entstehen können.

Klimarobust und nutzergerecht bauen

Weitere Aspekte, die heute nachhaltige Gebäude auszeichnen, sind die Berücksichtigung der Folgen des Klimawandels und das Bemühen, bislang selbstverständliche Nutzeransprüche zu hinterfragen und neu festzulegen. Resiliente Gebäude sind in der Lage, auf Wetterereignisse zu reagieren, die durch den Klimawandel verursacht werden, und sich entsprechend „klimarobust“ zu verhalten. Dies schließt Risikoanalysen des Standortes und zukünftige Klimadaten ein.

Nachhaltige Gebäude können auch mit einfachen und robusten Lösungen realisiert werden. Suffizienz als Maß für eine angemessene Bedarfsermittlung hilft, eigene Ansprüche realistisch zu bewerten und zu hinterfragen und sich einem im Lauf der Zeit verändernden Bedarf anzupassen. Ein Beispiel hierfür ist die Wohnfläche pro Person, die in den letzten 30 Jahren um nahezu ein Drittel zugenommen hat.

Beispielhafte Lösungen

Die im Bundespreis UMWELT & BAUEN mit einem Preis oder einer Anerkennung ausgezeichneten Projekte zeigen, wie innovative Lösungen unter Berücksichtigung aktueller Nachhaltigkeitszielsetzungen realisiert werden können. Beispielhaft hierfür ist die Berliner Wohnbaugesellschaft HOWOGE, deren Gebäudeensemble den Bundespreis in der Kategorie Wohngebäude erhalten hat (S. 98). Nachhaltige Quartiere zeichnen sich nicht nur durch eine hohe Energieeffizienz und durch gute Umweltqualitäten im Sinne eines städtischen Umweltschutzes aus, sondern beziehen bereits in der Konzeptfindung mit innovativen Prozessen und Instrumenten – beispielsweise durch Dialogforen – Bauherren, Nutzerinnen und Nutzer sowie Anwohnerinnen und Anwohner ein, wie z.B. im Quartier WIR in Berlin Weißensee.

Gebaute Beispiele für den Einsatz von Recyclingbaustoffen oder die Wiederverwertung ganzer Bauelemente sind drei Projekte, die mit einer Anerkennung ausgezeichnet wurden: Die Umweltstation in Würzburg ist das erste öffentliche Bauvorhaben in Bayern, bei dem Recyclingbeton zum Einsatz kam. Der Neubau der Stadtwerke Neustadt in Holstein zeichnet sich durch die Verwendung von gebrauchten Bauteilen, Recyclingbaustoffen sowie nachwachsenden Rohstoffen aus. Das Recyclinghaus in Hannover schließlich verwendet nahezu ausschließlich Recycling- und Gebrauchtmaterialien und zeigt die Möglichkeiten und Potenziale, die mit einer kreislauforientierten und ressourcenschonenden Planung erreicht werden können.

Hinweis

Aufgrund der guten Resonanz wurde der Wettbewerb 2021 erneut durchgeführt. Die wichtigsten Informationen zu allen Preisträgern und Auszeichnungen wie auch die Aufzeichnung der Preisverleihung sind auf der Website des Umweltbundesamts zusammengestellt.


THOMAS RÜHLE

ist Prokurist im Öko-Zentrum NRW. Der Bauingenieur verfügt über langjährige Erfahrung als Berater. Er ist u.a. DGNB Senior Auditor und Energieauditor BAFA.

Dieser Beitrag stammt aus B.A.U.M.-Insights – Jahresmagazin 2022.

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