Wirtschaft pro Klima

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Mit Geoengineering die Klimaerwärmung stoppen?


Während Methoden des Strahlungsmanagements hoch umstritten sind, ist die CO2-Entnahme breit akzeptiert. Doch in Bezug auf das Verhältnis zwischen Emissionsreduktionen und CO2-Entnahme gibt es noch viele ungeklärte Fragen.

Unter dem Label Geoengineering werden verschiedene Ansätze gefasst, die darauf abzielen, die Geosphäre gezielt zu verändern, beispielsweise um die Erwärmung des Klimas zu verlangsamen. In jüngster Zeit hat sich eine Differenzierung zwischen Methoden des Strahlungsmanagements (SRM, Solar Radiation Management) und der CO2-Entnahme (CDR, Carbon Dioxide Removal) durchgesetzt.

SRM-Maßnahmen werden weiterhin unter dem Label Geoengineering gefasst. Sie zielen darauf ab, die Reflexion von Sonneneinstrahlung zu erhöhen, um die Erwärmung aufzuhalten. Potenziell möglich wäre dies, indem Substanzen wie Kalziumkarbonat oder Aluminiumoxid in die Stratosphäre injiziert werden. Diese Verfahren sind jedoch höchst umstritten und finden bisher keine großflächige Anwendung.

Ohne CO2-Entnahme keine Klimaneutralität?

Etwas anders verhält es sich bei CDR. Die CO2-Entnahme ist innerhalb der Klimawissenschaft ein breit akzeptierter Ansatz, der in Klimamodellen in den vergangenen Jahren stark an Bedeutung gewonnen hat. In Folge des Pariser Klimaabkommens von 2015, demzufolge die globale Erwärmung möglichst auf 1,5 Grad beschränkt werden soll, wurden zahlreiche Treibhausgasneutralitätsziele formuliert. Für die EU gilt dies zum Jahr 2050, Deutschland soll bereits fünf Jahre früher Treibhausgasneutralität erreichen. Allerdings ist es unstrittig, dass eine gewisse Menge an Emissionen auch im Jahr 2045 noch ausgestoßen wird (etwa in der Landwirtschaft oder in der Zementherstellung). Vor diesem Hintergrund wären CO2-Entnahmen, die auch häufig als negative Emissionen bezeichnet werden, notwendig, um das Ziel zu erreichen.

Natürliche und technische Senken

Doch wie kann die Entnahme von Kohlendioxid aus der Atmosphäre gelingen? Denkbar ist eine Vielzahl unterschiedlicher Ansätze. In der Literatur wird manchmal die Unterscheidung zwischen natürlichen und technischen Senken vorgenommen. Als natürliche Senken könnten alle Ansätze gefasst werden, die mit einer Änderung der Landnutzung einhergehen, um Kohlendioxid zu speichern. Dazu zählt etwa die Aufforstung – in Holz wird Kohlenstoff gebunden – oder auch die Ausbringung von Pflanzenkohle, also von Biomasse, die mittels Pyrolyse zu einem Festkörper wird. Als technische Ansätze gelten beispielsweise die Verbrennung von Biomasse in Kombination mit der unterirdischen Einlagerung von Kohlendioxid (BECCS, Bioenergy with Carbon Capture and Storage) oder die direkte Abscheidung von CO2 aus der Luft in Kombination mit CCS (DACCS, Direct Air Carbon Capture and Storage). Gleichwohl ist umstritten, inwieweit diese Einteilung in technische und natürliche Senken Sinn ergibt. Denn Technologie und Natur greifen bei allen Verfahren ineinander.

Unstrittig ist jedoch, dass alle potenziell möglichen Ansätze Restriktionen aufweisen. Es gibt momentan keinen CDR-Ansatz, der sich hochskalieren ließe in eine Dimension, wie sie für die Erreichung des Treibhausgasneutralitätsziels vermutlich notwendig wäre. So ist beispielsweise die Menge an nutzbarer Biomasse beschränkt, die Abscheidung von CO2 aus der Luft ist zum heutigen Stand sehr energieintensiv, die CCS-Technologie (Carbon Capture and Storage) ist nach wie vor mit vielen Fragezeichen sowohl im Hinblick auf die soziale Akzeptanz als auch die technische Umsetzbarkeit versehen.

Initiativen der Politik

Gleichwohl werden von Seiten der deutschen Regierung wie auch der europäischen Union zahlreiche Maßnahmen initiiert, um CO2-Entnahme in der Zukunft in nennenswertem Umfang zu ermöglichen. In Deutschland ist etwa im Rahmen des Klimaschutzgesetzes festgehalten, dass im Bereich der Landnutzung für den Zeitraum zwischen 2027 und 2030 25 Millionen Tonnen CO2 jährlich aus der Atmosphäre entnommen werden sollen. Zehn Jahre später sollen es dann 35 Millionen Tonnen sein und 2045 jährlich noch einmal fünf Tonnen zusätzlich. Im März 2023 einigte sich die Ampel im Koalitionsausschuss zum "Modernisierungspaket für Klimaschutz und Planungsbeschleunigung" darauf, im Rahmen der für das Jahr 2024 vorgesehenen Langfriststrategie zum Umgang mit Restemissionen Ziele für negative Emissionen für die Jahre 2035, 2040 und 2045 zu definieren. Explizit erwähnt werden dabei neben natürlichen auch technische Senken. Auf EU-Ebene läuft unter anderem eine Konsultation zu der Frage, wie ein Zertifizierungssystem für negative Emissionen ausgestaltet werden sollte (CRCF, Carbon Removal Certification Framework). Die Vorbereitungen für einen möglichen Hochlauf von negativen Emissionen nehmen also deutlich an Fahrt auf.

Spannungsreiches Verhältnis zwischen Emissionsreduktionen und CO2-Entnahme

Ein weiterer problematischer Aspekt ist jedoch, dass das Verhältnis zwischen Emissionsreduktionen und CO2-Entnahme durchaus spannungsreich ist. Rein logisch betrachtet ist zur Erreichung des Treibhausgasneutralitätsziels das Volumen für die Entnahme von Kohlendioxid das Äquivalent der unvermeidbaren Restemissionen. Doch welche Emissionen sind unvermeidbar? Wie werden diese bestimmt? Sollten die Anreizsysteme für negative Emissionen integriert werden in bestehende klimapolitische Regulierungen wie das europäische Emissionshandelssystem? Oder sollten neue Instrumente geschaffen werden? Davon abgesehen ist auch umstritten, was als CO2-Entnahme gelten kann.

Es gibt zahlreiche sogenannte CCU-Anwendungen (Carbon Capture and Usage), bei denen Kohledioxid als Rohstoff genutzt werden kann, etwa als Baumaterial oder in Produkten der chemischen Industrie. Hier stellt sich aus klimapolitischer Sicht die Frage, woher der Kohlenstoff stammt und wie lange er gebunden wird bzw. ob er nach dem Ende der Nutzung wieder in die Atmosphäre abgegeben wird. In dieser Frage zeichnen sich bereits Auseinandersetzungen darum ab, was als Entnahme von CO2 anerkannt wird und was nicht.

Realistisch vorsorgen

Zudem wird häufig auf die Gefahr verwiesen, dass die Hoffnung auf künftige negative Emissionen dazu führen könnte, entschiedene Emissionsreduktionen in naher Zukunft zu unterlassen. In den Klimamodellen wird deutlich, dass, je später drastische Emissionsminderungen einsetzen, der Bedarf an negativen Emissionen umso größer ausfällt. Es ist zwar schwierig zu belegen, dass die potenzielle Entnahme von CO2 in der Zukunft tatsächlich dazu führt, dass Emissionsminderungen weniger konsequent durchgeführt werden. Jedoch spricht viel dafür, dass sich negative Emissionen in ein Gesamtbild einfügen, in dem große Hoffnungen auf zukünftige technologische Entwicklungen ("techno-fixes") gesetzt werden (erwähnt seien an dieser Stelle auch Wasserstoff und E-Fuels), die sich aber in der Zukunft möglicherweise nicht im anvisierten Maßstab werden realisieren lassen. Ein wesentlich sicherer und dem Vorsorgeprinzip entsprechender Ansatz wäre es, konsequent die Emissionen in allen Bereich drastisch zu reduzieren und damit die Abhängigkeit von potenziell in der Zukunft verfügbaren Technologien zu minimieren. Denn ob die Entnahme von CO2 in der Zukunft tatsächlich in großem Stil möglich sein wird, ist momentan zweifelhaft.


Dr. Tobias Haas ist wissenschaftlicher Mitarbeiter am Forschungsinstitut für Nachhaltigkeit – Helmholtz Zentrum Potsdam (RIFS). Er ist Politikwissenschaftler und beschäftigt sich im Rahmen des vom BMBF geförderten Projekts "CDRSynTra – Carbon Dioxide Removal Synthesis and Transfer" mit den Dimensionen Policy und Governance.

Quelle: B.A.U.M. Insights 3/2023