Wie weit ist die neue ISO-Norm zur Klimaneutralität?
Die ISO-Norm 14068 soll Anforderungen und Grundsätze festlegen, die bei kommunikativer Nutzung des Begriffs "Klimaneutralität" nachzuweisen sind. Bernhard Schwager, Mitglied des Gesamtvorstands von B.A.U.M., beschreibt den aktuellen Stand der Arbeit an dieser Norm, die voraussichtlich Mitte 2024 fertig vorliegen wird.
Für eine stetig steigende Zahl von Organisationen, Produkten und Dienstleistungen wird "Klimaneutralität" von Anbietern ausgewiesen, um Verbraucher mit dieser umweltbezogenen Kommunikation anzusprechen. Aus Verbrauchersicht müssen Umweltaussagen zur Klimaneutralität glaubwürdig sein und auf verlässlichen Methoden der Treibhausgasbilanzierung und der Kommunikation der Ergebnisse fußen. Derzeit gibt es jedoch sehr viele unterschiedliche Ansätze. Damit ist der Markt für den Betrachter sehr intransparent, so dass die Gefahr von Greenwashing besteht und Verbraucher durch unseriöse Verlautbarungen getäuscht werden können.
2019 hat deshalb das Britische Normungsinstitut BSI die ISO-Norm 14068 – "Carbon neutrality" initiiert, um Abhilfe zu schaffen. Die Norm soll Anforderungen und Grundsätze festlegen, die bei kommunikativer Nutzung des Begriffs "Klimaneutralität" nachzuweisen sind. Diese beziehen sich auf das Management von Treibhausgasemissionen mit Aspekten zur Quantifizierung, Vermeidung, Verminderung, Substitution, Kompensation und Sequestrierung.
Der primäre Fokus der Norm wird sich auf Organisationen und Produkte richten. Vorrangig geht es sowohl um das Streben als auch das Erreichen von "Klimaneutralität" durch Reduzierung der direkten Treibhausgasemissionen. Zentral ist dabei ein Hierarchie-Ansatz im Klimamanagement-Plan, bei dem zuerst die Vermeidung, Reduzierung und Substitution kommt, und die Kompensation der verbleibenden Emissionen erst danach folgt. Neben Anforderungen zu Zielen wird die Norm Festlegungen für das Erreichen und den Nachweis der Klimaneutralität treffen. Dabei ist der Anwendungsbereich breit gefasst und schließt Organisationen, Unternehmen, Kommunalverwaltungen, Produkte, Gebäude, Veranstaltungen und Dienstleistungen ein. Besonders wichtig ist es deshalb, dass die Norm zukünftig dazu beiträgt, einen transparenten und verantwortungsvollen Gebrauch des Begriffs "Carbon neutrality" zu gewährleisten.
Das Norm-Projekt ISO 14068 "Greenhouse gas managament and related activities - Carbon neutrality" wird international in der Arbeitsgruppe ISO/TC 207/SC 7/WG 15 erarbeitet. Zur Begleitung der Arbeiten wurde im März 2020 beim DIN-Normenausschuss Grundlagen des Umweltschutzes (NAGUS) ein neuer Arbeitskreis gegründet, der die ISO-Arbeiten des Projektes spiegelt. Das ursprünglich geplante Ende im März 2023 – mit einer regulären Laufzeit von drei Jahren für die Entwicklung einer Norm – war corona-bedingt aber nicht zu schaffen. Es ist daher eher wahrscheinlich, dass die Arbeiten noch bis Mitte 2024 andauern.
Das Projekt ISO 14068 gilt als aussichtsreicher Versuch, möglichst schnell erforderliche Leitplanken für die kommunikative Nutzung des Begriffs "Klimaneutralität" zu etablieren. Aus deutscher Sicht spielen folgende Aspekte bei dieser Normentwicklung eine bedeutende Rolle:
Gestellte Anforderungen der Norm müssen grundsätzlich fachlich fundiert, klimapolitisch wirksam und praktisch anwendbar sein.
"Carbon neutrality" muss über das Konzept von "Net Zero" hinausgehen.
"Avoided Emissions" dürfen nicht als Kompensation gewertet werden. Sie bergen die Gefahr von Greenwashing.
Beachtung des "do no harm"-Prinzips.
Klare Darstellung der Zielerreichung mit Kriterien zum anzustrebenden Endzustand, da Klimaneutralität einen Prozess und keinen Zustand beschreibt.
Definition von Anforderungen an die Transformation.
Konkretisierung bei Scope 3 mit Leitplanken, Vorgaben zur Quantifizierung, Bilanzrahmen und Nutzungsphasen.
Festlegung von "roten Linien" (no gos) und "Mindestanforderungen" (must haves).